Freitag, 30. September 2011

Mein Klinikaufenthalt.

Ja, wo soll ich nur anfangen?
Am besten ganz vorne, was?
Ich versuch es so knapp wie möglich und so ausführlich wie nötig zu schreiben.

Also... alles fing natürlich damit an, dass meine Therapeutin im Mai letz endlich zu mir sagte: "Sina, so kann es nicht weitergehen. Wir müssen das jetzt anders machen. Guck dir die Klinik wenigstens an."
Okay. Ich habe erst mal abgewartet, für welche Kliniken sie mir einen Termin machte - zum angucken versteht sich. Bei der ersten Klinik bin ich am Telefon total ausgerastet. "Da geh ich nicht hin. Das sieht es grässlich aus. Da stinkt es. Das ist mitten in der Pampa." und: "Da, wo mein Vater zig mal war und es nichts geändert habe, werde ich meinen Fuß nicht einen Millimeter rein setzen. Den Termin können sie direkt wieder absagen!"
Aber nein, das hat sie nicht getan.
Okay, ich also am 26.Mai dahin. Es ging mir total schlecht. Mir war übel, schwindelig, ich war unterzuckert.
Eine Freundin kam mit. Wir sind mit dem Bus gefahren. Als wir endlich den Haupteingang gefunden hatten (wir kamen aus einer anderen Richtung als ich sonst kam), zwang sie mich ein Knäckebrot zu essen. Ich dann erst mal auf's Klo gerannt und es wieder ausgekotzt.
Um 11 Uhr hatte ich den Termin. Und wann kam der leitende Psychologe? Um 12 Uhr. Ich war schon total am Ende. Konnte mich gar nicht mehr auf das Gespräch konzentrieren. Also redete meine Freundin mehr als ich. Die einzige Frage, die ich beantwortete: "Wie viel wiegen Sie?" - "40 Kilo." Seine Antwort: "Mit dem Gewicht gehören sie eigentlich schon längst ins Krankenhaus." 
Hmm... ok. Dann hat er uns auf die neue Station St. Barbara gebracht. Mir wurde ein Zimmer gezeigt und der Aufenthaltsraum. Die anderen Patienten waren gerade beim Mittagessen. Hinterher ist mir aufgefallen, dass einem normalerweise viel mehr gezeigt und erklärt wird. Bei mir war das nicht so. Und warum? Weil ich körperlich nicht mehr konnte. Sie haben mich dann im Wohnzimmer auf die Couch gelegt. Füße hoch, Traubenzucker löffeln. Eigentlich wollten wir mit dem Bus wieder zurück. Doch das schaffte ich nicht mehr. Also rief meine Freundin meine Mutter an, die mich dann eine halbe Stunde später abholte.
Am selben Tag musste ich mich noch melden, ob ich dann am 6. Juni kommen will. Ich, ohne zu wissen, was auf mich zukommen würde, zugesagt. Was soll ich sagen? Wenn man wortwörtlich todkrank ist, tut man das eben.
Also kam ich am 6. Juni in die Klinik. Der Aufenthalt dauerte geschlagene 15 Wochen. Also fast 4 ganze Monate.
Es war die Hölle. Ein Kampf gegen den Tod. 
Ich durfte 6 Wochen nicht nach Hause.
Ich musste am Anfang jede Woche 1000g zunehmen. Was ich natürlich nicht geschafft habe. Montags und mittwochs war wiegen. Und Freitag entschied sich dann, nach dem wiegen, ob ich nach Hause durfte oder nicht. Etappenziel nicht erreicht hieß da bleiben und nur in Begleitung nach draußen.
Ich musste 6x am Tag essen: Zum Frühstück um halb 8 ein ganzes Brötchen mit Margarine und voll belegt mit Käse oder Wurst. Um 10 Uhr die erste Zwischenmahlzeit (ZM): 1 Fresubin Energy 200ml = 300kcal. Mittagessen war um 12 Uhr - hieß einen ganzen Teller voll mit Nachtisch. Um 15.30 Uhr wieder die nächste ZM. Entweder ein Stück Kuchen oder ein Sahneyoghurt. Um 18 Uhr Abendessen mit wieder einem Brötchen, Margarine und Wurst oder Käse. Dazu noch mal ein Fresubin Energy. Und die letzte Mahlzeit um 20 Uhr die ein Snickers mit 357kcal enthielt. Alles wurde natürlich strengstens überwacht. Oft durfte ich nicht mit den anderen essen.
Zu meinen schlimmsten Zeiten brauchte ich 1 1/2 Stunden für das Mittagessen ohne Nachtisch. Der Kopf lag auf dem Tisch und ich war am heulen. Aber ich musste aufessen. Sobald ich den separaten Raum verlassen durfte, bin ich mitten auf dem Flur vor Anstrengung einfach zusammengebrochen.
In der 3. Woche meiner Therapie ging es mir sehr sehr schlecht. Ich lag eine komplette nur im Bett. Habe nicht gegessen, nicht getrunken, bin nicht raus gegangen. Am Sonntag kam die diensthabende Notärztin zu mir. Ich bekam Tavor. Ein starkes Medikament, welches beruhigt und sehr müde macht.
Ansonsten wurde nichts unternommen, dass es mir besser geht. Ich habe mich alleine und im Stich gelassen gefühlt. Es war einfach schrecklich.
Es wurde erst nach dem nächsten Einzelgespräch wieder etwas besser. Insgesamt dauerte es allerdings wieder drei Wochen, bis es mir wirklich besser ging und ich an allen Therapien teilnahm. Ich hatte zum Beispiel Arbeitstherapie (AT). Dort wechselte ich zweimal. Das erste Mal, weil ich von dem Leiter Flashbacks bekam. Das zweite Mal, weil ich mehr als unterfordert war. Außerdem gab es noch Ergotherapie (ET). Was ich persönlich nicht wirklich toll fand. Ständig hing dir die Frau im Gewissen: Machen sie es so und so, dann wird es noch besser. – Vielen Dank auch, dass es nicht perfekt geworden ist. Das steigert mein Selbstvertrauen ungemein. Ich bin eben keine Künstlerin. Zusätzlich gab es noch Gruppen- (G) und Einzel(E)gespräche. Die waren an sich meistens sehr hilfreich. Manchmal aber auch kaum zum aushalten für mich. So habe ich die Gespräche das ein oder andere Mal verfrüht verlassen. Außerdem gab es noch Schwimmen, was ich allerdings erst machen durfte, als ich 50 Kilo wog. Anderer Sport war in jeglicher Art verboten. Zur Entspannung und gegen meine Verspannungen bekam ich Medy Jet verschrieben. Das ist ein Wasserbett, welches mit Wasserstrahlen massiert. Toll. Aber es wurde letztendlich eher abgesetzt als gedacht, weil es mir einfach nicht mehr gut tat. Ich lag 30 Minuten auf dem Ding und fing an zu grübeln. Also: abgesetzt.
Die besten Ziele erreichte die konzentrative Bewegungstherapie (KBT). Ich hatte, im Gegensatz zu den anderen Einzeltherapie. Sie hatten Gruppentherapie. Aber bei mir war das aufgrund meiner Erlebnisse nicht möglich. Dort werden Übungen gemacht, dass man mit seinem Körper das spürt, was in einem gefühlsmäßig vorgeht. Es gab so einige Übungen, die mir gut taten. Am Anfang ging es viel darum, Grenzen aufzuzeigen, schützende Mauern zu bauen und Verbindungen aufzunehmen. Außerdem habe ich z.B. zwei Körperwahrnehmungsübungen gemacht. Bei der einen musste ich die Augen schließen. Dann musste ich schätzen wie weit meine Schultern und mein Becken auseinanderliegen. Das hieß für mich die Hände soweit auseinanderzunehmen, wie ich den Abstand fühlte. Der wurde dann an einem Holzstab festgehalten. Er markierte die Enden die ich aufzeigte mit seinen Händen und lag den Stab an meinen Körper an. Und ich sah, wie sehr ich mich verschätze, was meinen Körper angeht. Ich habe viel zu viel gezeigt. Teilweise das doppelte. Das hat sich leider bis zum Ende nicht geändert.
Zum anderen wurde ein großes Stück Papier von einer Rolle aus dem Boden ausgerollt. Dann musste ich mich darauf legen und er zeichnete meine Körperkontur ab. So bekam ich meinen Umriss zu sehen. Ich sah mich so, wie andere mich sehen. Erschreckend dünn.
Und einmal rollte er mich in eine Decke ein. Ich fühlte mich sicher, weil ich nicht an meinen Körper konnte. Aber andererseits fühlte ich mich auch total eingeengt. Ich hatte schließlich keine Chance jeden Moment fliehen zu können.
Plötzlich bückte er sich. Wollte an die Decke. An mich. Mir die Decke wegnehmen. Ich bekam Panik! Rollte mich so schnell es ging aus. Erstarrte, dissoziierte, rannte fort, schloss mich ein und heulte so lange, bis S. endlich kam. Die Pflege kam nicht an mich heran.
Dissoziieren. Das tat ich oft. Meist, wenn ich im Bett lag. Ich muss aufstehen, zum Essen. Ich komm nicht raus. Pfleger kommen. Einmal, zweimal. Bekommen mich nicht wach. Ich bekomme alles mit, aber ich kann nicht raus aus der Dissoziation. Sie versuchen mich zu wecken. Mit Coolpacks. Überall. Funktioniert nicht. Versuchen mich mit schütteln aufzuwecken. Vergebens. Mit rufen. Nicht möglich. Schließlich holen sie Ammoniak. Funktioniert. Wenn auch nur schwer. Und ich schwöre euch: Es ist total unangenehm. Wenn es die Nase hochzieht schlagt ihr nur noch mit dem Kopf zurück. Manchmal bin ich auch mitten auf dem Flur zusammengebrochen – dissoziiert.

Medikamente bekam ich auch.
Fluoxetin. Habe ich ja vorher schon bekommen. Nehme ich auch weiterhin. Antidepressiva.
Pantoprazol. Habe ich dort bekommen, als es mir so schlecht ging. Nehme ich nicht mehr. Magenschutzmedikament.
Taxilan/Perazin. Habe ich dort bekommen. Ist gegen Grübeln und zum Schlafen. Nehme ich noch. Neuroleptikum.
Zopiclon. Habe ich vorher schon genommen. Nehme ich nicht mehr. Schlafmedikation.

Soo…. Es kommt natürlich noch was. Aber jetzt brauche ich erst mal eine Pause.






1 Kommentar:

  1. erst ein mal danke fuer deine lieben worten :*

    brauchst dir keine Sorgen machen..
    immer das gleiche in den Kliniken, fressen, Fresubin, Sahneeeeeeejogurt, baah >.<

    ich hoffe aber du bleibst stark und schaffst es weiterzukaempfen um nicht wieder so tief zu sinken. <3

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